Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs (Beschluss v. 11. Januar 2011 – 5 StR 491/10) hat das Urteil auf die Revision des Angeklagten hin aufgehoben und das Verfahren an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die bisherigen Feststellungen des Landgerichts tragen die Annahme eines vorsätzlichen Körperverletzungsdelikts nicht.
Angesichts der freiwilligen Drogeneinnahme und dadurch erfolgten Selbstgefährdung der Gruppenmitglieder war zur Begründung einer Strafbarkeit hiernach eine vom Vorsatz des Angeklagten umfasste Handlungsherrschaft erforderlich. In der erneut durchzuführenden Hauptverhandlung wird vorrangig eine kritische Überprüfung der Angaben des Angeklagten zu einem vorgeblichen Wiegefehler vorzunehmen sein. Danach wird zu beurteilen sein, ob eine Vorsatztat oder lediglich ein fahrlässiges Tötungsdelikt anzunehmen ist. Das Landgericht Berlin hat einen 51 Jahre alten auf psychotherapeutische Behandlungen spezialisierten Arzt u. a. wegen Körperverletzung mit Todesfolge und der Überlassung von Betäubungsmitteln mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und ihn mit einem dauerhaften Berufsverbot für eine Tätigkeit als niedergelassener Arzt und als Psychotherapeut belegt. Nach den Urteilsfeststellungen führte der Angeklagte sog. psycholytische Sitzungen durch. Bei diesen Gruppensitzungen wurden Patienten durch Drogen in ein „Wachtraumerleben der Objektumgebung“ versetzt. Ziel dieser in Deutschland wissenschaftlich nicht anerkannten Methode soll es sein, an unbewusste Inhalte der Psyche zu gelangen. Im September 2009 führte der Angeklagte eine Intensivsitzung durch, in deren Rahmen sich sechs Gruppenmitglieder zur Einnahme des Rauschgifts MDMA bereiterklärten. Wegen eines ihm unterlaufenen Wiegeversehens übergab er an diese jedoch mindestens die zehnfache Menge der beabsichtigten Menge, woraufhin es bei ihnen zu heftigen körperlichen Reaktionen kam. Trotz der von der herbeigerufenen Notärztin veranlassten Hilfsmaßnahmen verstarben zwei Gruppenmitglieder an Multiorganversagen aufgrund der Überdosis MDMA. Weitere Teilnehmer konnten nach intensivmedizinischer und stationärer Behandlung gerettet werden.

Erläuterungen von Amelung & Trepl Rechtsanwälte:

Warum wurde das Urteil aufgehoben?

Solange jemand in seiner Willensbetätigung nicht eingeschränkt ist, steht es ihm generell frei, sich selbst zu schädigen; er kann Alkohol, Tabak und auch Betäubungsmittel konsumieren, ohne sich strafbar zu machen; denn wenn es schon nicht strafbar ist, sich selbst zu töten, kann es grundsätzlich auch nicht strafbar sein, sich selbst einen Schaden zuzufügen. Ist jemand deshalb aus den genannten Gründen für die Selbstgefährdung nicht strafbar, kann auch ein Anderer, der ihm sozusagen dabei hilft, nicht für die Hilfeleistung bestraft werden.


Allerdings geht man eigentlich zum Arzt, damit man von einer Krankheit geheilt wird, nicht jedoch, um im schlimmsten Fall noch an den verordneten Medikamenten zu sterben. Was zur sog. Selbstgefährdung gesagt wurde gilt nämlich dann nicht, wenn – wie hier – ein Arzt über ein größeres Fachwissen verfügt und daher das mit dem Konsum von Betäubungsmitteln verbundene Risiko besser einschätzen kann, als derjenige, der drauf und dran ist, sich selbst zu gefährden.


Das LG Berlin hatte den Arzt deswegen, weil er seinen Patienten das Betäubungsmittel MDMA zum Konsum gegeben hatte, wegen vorsätzlicher Körperverletzung und – weil zwei Patienten an dem Betäubungsmittel gestorben waren – wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt. Eine vorsätzliche Körperverletzung – so der BGH – könne jedoch nicht vorliegen, weil die Patienten in Kenntnis des mit einem Betäubungsmittelkonsum verbundenen Risiko das Mittel selbst freiwillig eingenommen hatten und auch schon mit Droge zu tun hatten, so dass ihnen der Arzt mit seinen ärztlichen Kenntnissen nicht überlegen gewesen sei.


Wie geht es weiter?


Der Arzt muss nunmehr neuerlich vor dem LG Berlin erscheinen, das prüfen wird, welcher Delikte er sich letztendes schuldig gemacht hat. In Betracht kommen fahrlässige Körperverletzung und Tötung aber auch die Verurteilung wegen einer Betäubungsmittel-Straftat. Ein Freispruch dürfte bei der gegebenen Sachlage schwer zu erreichen sein.

RA Dr. Peter Kotz