Der. 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat am 19.03.2013 über die Verfassungsmäßigkeit der Verständigung im Strafprozess, also über den sog. „Deal“ entschieden. Nach Auffassung des BVerfG sind Verständigungen, wenn sie nach den Vorschriften der Strafprozessordnung (insb. nach § 257c StPO) durchgeführt werden, verfassungsgemäß und die vom Gesetzgeber getroffenen Regelungen verfassungskonform (Urt. v. 19.03.2013, Az. 2 BvR 2628/10, 2883/10 und 2155/11).

Dem Gesetzgeber sei es grundsätzlich erlaubt gewesen, Regelungen für Absprachen im Strafverfahren zu schaffen. § 257c StPO berücksichtige die Rechte aller Verfahrensbeteiligten in ausreichendem Maße und wahre zudem den Grundsatz, dass das Gericht von der Schuld des Angeklagten überzeugt sein müsse. Auch der Grundsatz der Amtsermittlung durch das Gericht sei ausreichend beachtet. Insgesamt stelle daher die Regelung – gerade auch im Hinblick auf die in der StPO normierte Pflicht, verfahrensbeendende Absprachen in der Hauptverhandlung öffentlich zu machen – eine nicht gegen das Grundgesetz verstoßende, rechtsstaatlich zulässige Vereinfachungsregelung dar.

Eine empirische Untersuchung durch Prof. Dr. Karsten Altenhain von der Universität Düsseldorf unter Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten in NRW (vgl. hier: http://www.lto.de/recht/nachrichten/n/studie-zum-deal-im-strafverfahren-richter-umgehen-gesetz/ ) hatte jedoch im Vorfeld ergeben, dass ein erheblicher Teil der Verständigungen gerade nicht im Rahmen der Hauptverhandlung, wie es die StPO vorsieht, sondern außerhalb der Hauptverhandlung und damit informell getroffen werden.

Diese vom Gesetzeswortlaut abweichende Praxis hat das BVerfG nun ausdrücklich kritisiert und für unzulässig erklärt. Eine Absprache sei nur dann gültig, wenn die Entscheidung im Protokoll der Hauptverhandlung dokumentiert und damit die Transparenz gewährleistet sei. Informelle Absprachen seien künftig ein absoluter Revisionsgrund. Bei informellen Absprachen liege kein faires Verfahren mehr vor. Das BVerfG sprach aber auch von einem „erheblichen Vollzugsdefizit“. Es liege – noch – kein sog. strukturelles Normdefizit vor. Sollten die vom BVerfG nunmehr aufgestellten Grundsätze (auch) in der Zukunft nicht eingehalten werden, könnte sich an dieser (vorläufigen) Einschätzung etwas ändern.

Das Bundesverfassungsgericht stärkt mit dieser Entscheidung das Recht auf ein faires Verfahren. „Übergriffe staatlicher Stellen“ sollen auf diese Weise „angemessen abgewehrt“ werden können. Erst 1997 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) den Grundstein für die nun vom BVerfG überprüfte gesetzliche Regelung gelegt, indem der BGH nach einer über 25 Jahre währenden Diskussion über die Zulässigkeit und den Umgang mit Verständigungen (erstmals in der Fachliteratur pointiert dargestellt in StV 1982, S. 545) ein Regelwerk geschaffen hatte, nach welchem Verständigungen nach seinen Vorstellungen abzulaufen hätten (BGHSt 43, 195).

Die nunmehr erfolgte Klarstellung und Ermahnung zur Einhaltung der seit 2009 bestehenden gesetzlichen Vorgaben ist für die tägliche Praxis des Verteidigers im Umgang mit Verständigungen grundsätzlich begrüßenswert. Schon vorher war es die oberste Pflicht eines seriösen Verteidigers, eine erfolgte Verständigung im Protokoll dokumentieren zu lassen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kommt aber nun auch der Staatsanwaltschaft eine stärkere Kontrollfunktion zu: Die Staatsanwaltschaft darf sich an informellen Absprachen nicht (mehr) beteiligen und muss gegen auf dieser Grundlage ergangene Urteile Rechtsmittel einlegen (letztlich schon bisher geregelt in Nr. 147 RiStBV). Ihr kommt daher künftig eine „herausgehobene Bedeutung“ als Garant für ein rechtsstaatliches Verfahren zu. In gleichem Maße sind die Rechtsmittelgerichte in der Pflicht, die Einhaltung der Regelungen der StPO zur Verständigung zu prüfen. Der Bundesgerichtshof darf beispielsweise eine auf eine informelle Verständigung gestützte Revision nicht mehr nur deshalb verwerfen, weil das Urteil – was Voraussetzung für die Aufhebung des Urteils wäre und der bisherigen Praxis entsprach – nicht auf dem Verstoß gegen § 257c StPO beruht. Der 2. Senat hat außerdem betont: Sollte ein Staatsanwalt künftig entgegen der jetzt erfolgten Ermahnung durch das BVerfG an der Protokollierung einer nicht den Vorgaben des § 257c StPO entsprechenden Absprache mitwirken, macht er sich nach Auffassung der Richter selbst wegen einer Falschbeurkundung im Amt strafbar. Gleiches droht Richtern, die ein falsches sog. Negativattest, also den Hinweis, dass es keine oder jedenfalls keine weiteren Absprachen gab, in das Protokoll aufnehmen.

Künftig wird also – mit den Worten des BVerfG – wieder das Recht die Praxis bestimmen und nicht die Praxis das Recht.

Das Bundesverfassungsgericht hatte über die Verfassungsbeschwerden gegen Urteile zu entscheiden, denen jeweils eine informelle Absprache zugrunde lag und in welchen den Angeklagten eine günstige Strafe für den Fall eines (pauschalen) Geständnisses und eine deutlich höhere Freiheitsstrafe für eine Verhandlung ohne Geständnis in Aussicht gestellt worden war (sog. „Sanktionsschere“). Die Urteile wurden aufgehoben, die jeweiligen Strafverfahren müssen erneut durchgeführt werden. Das Gericht kritisierte dabei insbesondere das bloße Formalgeständnis und die (unzulässige) Verständigung über den Schuldspruch.