Der für Bayern zuständige 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe hat die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 25. März 2010 ohne Begründung verworfen (Beschluss vom 19. Januar 2011 – 1 StR 569/10); damit ist das Augsburger Urteil rechtskräftig.
Nach dem Urteil des Landgerichts Augsburg hatte sich der in finanzielle Schwierigkeiten geratene Angeklagte entschlossen, am 15. September 1981 die zum Tatzeitpunkt zehnjährige Ursula Herrmann zu entführen, um mit dem geforderten Lösegeld seine Finanzen zu sanieren. Hierzu ließ er in einem Waldgebiet von einem Mittäter eine Grube ausheben, in die er eine selbst gefertigte, ca. 140 x 72 x 60 cm große Holzkiste verbrachte, die er mit als Lüftungssystem gedachten Plastikrohren, einem Transistorradio sowie elektrischem Licht versah und mit Getränken, Süßigkeiten, Büchern, Taschenradio, Decken und einem Jogginganzug bestückte. In den Abendstunden des 15. September 1981 lauerte der Angeklagten dem auf dem Heimweg befindlichen Mädchen auf, riss es vom Fahrrad und schleppte es – möglicherweise betäubt – zu der 800m entfernt vergrabenen Kiste. Er sperrte das Kind in die Kiste, verschloss den Deckel und bedeckte die Kiste vollständig mit Erdreich. Mit zuvor gefertigten und sodann versandten Erpresserbriefen forderte der Angeklagte von der Familie des Mädchens zwei Millionen DM Lösegeld. Als diese am 18. September 1981 ein Lebenszeichen verlangten, begab sich der Angeklagte zur Kiste und stellte fest, dass das Mädchen nicht mehr lebte. Er brach daraufhin den Kontakt zur Familie des Opfers ab. Die Kiste wurde am 4. Oktober 1981 von der Polizei aufgefunden; Ursula Herrmann war infolge Sauerstoffmangels erstickt.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge (§ 239a Abs.1, Abs.3 StGB) zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Überzeugung von der Täterschaft gründet auf einer Fülle von Indizien, unter anderem Aufzeichnungen überwachter Telefonate des Angeklagten aus November 2007 und Mai 2008, in denen sich der Angeklagter in einer Weise zum Tatverdacht und zu Verjährungsfragen äußert, dass die Strafkammer annehmen konnte, er sei an der Tat beteiligt gewesen. Außerdem hat die Strafkammer ausgeschlossen, dass eine andere Person der maßgebliche Täter gewesen sein könnte. Da sich dem Angeklagten aufdrängen musste, dass die angebrachten Plastikrohre als Lüftungssystem untauglich sind, habe er den Tod des Mädchens leichtfertig verursacht.
Anmerkung von Amelung & Trepl Rechtsanwälte:
Nicht nur Mord kann zu lebenslanger Freiheitsstrafe führen; eine solche Strafe können die Gerichte auch verhängen, wenn ein Mensch im Zusammenhang mit einer gegen ihn verübten Gewalttat ums Leben kommt: neben dem hier der Verurteilung zu Grunde liegenden „Erpresserischen Menschenraub“, ist dies z.B. auch bei einem „Raub mit Todesfolge“ oder der „Vergewaltigung mit Todesfolge“ möglich.
Das Augsburger Landgericht musste sich, da der Angeklagte kein Geständnis abgelegt hatte, auf Beweisanzeichen (Indizien) stützen, von denen eine solche Vielzahl vorlag, dass es – im Wege der freien Beweiswürdigung – insgesamt zu dem Ergebnis kam, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfene Tat begangen hat. An der Verwertung der Indizien und den daraus in Augsburg gezogenen Schlussfolgerungen hat der Bundesgerichtshof nichts Fehlerhaftes feststellen können.
Über all das hat der Bundesgerichtshof kein Wort verloren; deshalb folgende Hinweise:
In der Revisionsinstanz werden die Urteile nur auf Rechtsfehler geprüft. Können Rechtsfehler, auf denen das Urteil des Erstgerichts beruht, nicht dargelegt werden, hat die Revision keinen Erfolg. Steht – wie hier – die freie Beweiswürdigung des Erstgerichts auf dem Prüfstand, kann eine Revision nur dann zur Aufhebung des Ersturteils führen, wenn die Beweiswürdigung Fehler enthält, weil sie sich beispielsweise selbst widerspricht oder etwa von objektiv falschen Prämissen ausgeht (vereinfacht ausgedrückt wäre ein solcher Fehler die Annahme: 1 + 1 = 3). Kein Fehler einer Beweiswürdigung ist es dagegen, wenn man sich lediglich einen anderen Geschehensablauf vorstellen könnte als denjenigen, den das Gericht angenommen hat, oder daraus eine andere Schlussfolgerung ziehen könnte, da die Annahme des Gerichts nur möglich, nicht hingegen wahrscheinlich sein muss.
Ist das Revisionsgericht der Auffassung, dass das Rechtsmittel unbegründet ist, kann es dieses auch zurückweisen, ohne dass es seine Entscheidung begründet. Daraus kann man(nach ständiger Rechtsprechung, dagegen die ständige Kritik aus den Reihen der Verteidigung) nicht den Schluss ziehen, das Gericht habe die zur Begründung der Revision angeführten Argumente nicht zur Kenntnis genommen, was – wenn es so wäre – eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellen würde. Die Argumente des Angeklagten sind nämlich durchaus erwogen worden. Das ergibt sich aus dem Ablauf des Revisionsverfahrens. Bevor nämlich das Revisionsgericht seine Entscheidung trifft, muss die beim Revisionsgericht residierende Staatsanwaltschaft (hier der Generalbundesanwalt) zur Revision im Einzelnen Stellung nehmen, und einen Antrag stellen, ob das Urteil ihrer Meinung nach aufgehoben oder die Revision verworfen werden soll. Beinhaltet diese Stellungnahme alles, was es auch nach Auffassung des Revisionsgerichts zur Revision zu sagen gibt, kann es sich eine eigene Begründung ersparen.
RA Dr. Peter Kotz