Mit Urteil vom 04.09.2012 (1 StR 534/11) hat der 1. Strafsenat des BGH entschieden, dass ein in Deutschland nicht zugelassenes Fertigarzneimittel durch Hinzugabe von Kochsalzlösung, um eine Injektion vornehmen zu können, nicht zu einem zulassungsfreien Rezepturarzneimittel wird. Der Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte betrieb in den Jahren 2006 und 2007 eine Apotheke, in deren Labor unter seiner Aufsicht ausgebildete Mitarbeiter unter besonderen technischen Sicherheitsvorkehrungen Injektionslösungen zur Behandlung krebskranker Patienten herstellten. Die Zubereitung dieser Lösung erfolgte auf der Basis des Zytostatikums „Gemzar“, das auf dem Markt als Pulver zur Herstellung einer Indiktionslösung angeboten wird. Die Zubereitung erfolgte hierbei jeweils auf Rezept, in dem die Ärzte entweder „Gemzar“ verordneten oder dessen Wirkstoff „Gemcitabine“ sowie eine patientenindividuelle Konzentrationsvorgabe für die zu dem Pulver hinzuzugebende Kochsalzlösung. Der Angeklagte gab die nach diesen Vorgaben zubereitete Lösung zur baldigen Verabreichung an die Patienten ab. Für die Zubereitung erwarb der Angeklagte vorab in unterschiedlichen Chargen „Gemzar“ aus Herstellung einer in Frankreich ansässigen Firma. Diese stellte „Gemzar“ sowohl für den deutschen Markt als auch für andere Märkte her. Der Angeklagte orderte jedoch nicht die für den deutschen Markt produzierten und zugelassenen Herstellungen, sondern andere, im Einkaufspreis günstigere Herstellungen, die u. a. für Tschechien, Ungarn, Ägypten, Kenia und Bangladesch vorgesehen waren und die über keine in Deutschland gültige Arzneimittelzulassung verfügten. Das Landgericht München II hatte den Angeklagten aus Rechtsgründen freigesprochen. Eine Strafbarkeit wegen Inverkehrbringens von Fertigarzneimitteln ohne Zulassung im Sinne von § 96 Nr. 5 AMG hatte es mit der Begründung abgelehnt, der Angeklagte habe schon keine Fertigarzneimittel in den Verkehr gebracht, vielmehr habe er aus dem erworbenen Fertigarzneimittel „Gemzar“ durch Hinzugabe der jeweils patientenindividuell dosierten Kochsalzlösung einzelne Rezepturarzneimittel hergestellt, welche jedoch keiner Arzneimittelzulassung bedürften. Auch eine strafbare Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente ohne Verschreibung im Sinne vom § 96 Nr. 13 AMG sah das Landgericht nicht als erfüllt an, da die in § 48 AMG näher geregelte Verschreibungspflicht nicht an die Zulassung oder Verkehrsbezeichnung des Medikaments anknüpfe, sondern, wie sich aus der Anlage der AMVV ergebe, an die in Arzneimittel erhaltenen Wirkstoffe. Der Freispruch hielt jedoch der sachlich rechtlichen Prüfung durch den BGH nicht stand. Der BGH sah die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe durch die Zubereitung der Indiktionslösung ein Rezepturarzneimittel hergestellt, das keiner Zulassung bedürfe, als rechtlich fehlerhaft an. Es fehle insoweit bereits grundsätzlich an der Herstellung eines neuen Arzneimittels. Aus einem pulverförmigen Fertigarzneimittel wie „Gemzar“ zubereitete Zytostatika-Lösungen seien im Verhältnis zu diesem keine neuen, eigenständigen Arzneimittel, wenn lediglich Kochsalzlösung beigefügt werde. Da hierbei auf das Medikament als solches nicht eingewirkt werde, sondern dies lediglich in eine andere Darreichungsform transformiert werde. Auch der Umstand, dass das verwendete Medikament inhaltlich mit einem in Deutschland zugelassenen Alternativmedikament identisch sei, ändere ebenfalls nichts an der Strafbarkeit, da für die Zulassung nicht nur die Inhaltstoffe, sondern auch die konkrete Herstellungsweise maßgeblich sei.

Anmerkung von Amelung Albrecht Rechtsanwälte: Aus der Entscheidung des BGH ergeben sich für Arzneimittelimporte von preiswerteren identischen Arzneimitteln aus Drittländern erhebliche Strafbarkeitsrisiken. Die Bedeutung der Entscheidung des BGH in der Apothekenpraxis verdeutlich ein Bericht des Magazins „Spiegel“ vom 04.09.2012 (http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/importiertes-krebsmedikament-bgh-kippt-freispruch-fuer-apotheker-a-853905.html).  Amelung Albrecht Rechtsanwälte rät deshalb, vor einer Einfuhr ggf. fachkundige juristische Expertise einzuholen.

RA Daniel Amelung