Der Sachverhalt: Die verstorbene Mutter (M) der Klägerin unterhielt in den Streitjahren u.a. ein Depot bei der X-Bank in Liechtenstein. In diesem befanden sich auch Anteile an Investmentfonds, die ihren Sitz auf den Kaimaninseln hatten. Diese Investmentfonds kamen ihren Anzeige-, Zulassungs- und Nachweispflichten i.S.d. § 17 Abs. 3 AuslInvestmG in Deutschland nicht nach. Sie bestellten auch keinen Vertreter des Investmentfonds i.S.d. § 18 Abs. 2 S. 3 AuslInvestmG. Aufgrund dessen gehörten die Fonds zu den sog. „schwarzen Fonds“ i.S.d. § 18 Abs. 3 AuslInvestmG.M ermittelte die Höhe der Erträge aus dem liechtensteinischen Depot anhand von Unterlagen, die die X zur Verfügung gestellt hatte, jedoch unter Anwendung des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG. Das Finanzamt setzte dementsprechend Kapitalerträge für M aus dem Depot an. M vertrat mit ihrem Einspruch demgegenüber die Ansicht, die Pauschalbesteuerung des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG sei im Hinblick auf die Kapitalverkehrsfreiheit europarechtswidrig. Der Besteuerung seien nur tatsächliche Erträge zu Grunde zu legen, die notfalls zu schätzen seien. M begehrte den Ansatz ihrer Kapitalerträge nach Maßgabe des § 18 Abs. 1 AuslInvestmG und stellte dem Finanzamt die dafür erforderlichen Unterlagen und Berechnungen zur Verfügung. Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück.Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage überwiegend statt. § 18 Abs. 3 AuslInvestmG verstoße gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, die auch für Drittstaaten gelte. Aufgrund dessen setzte das FG die von M ermittelten tatsächlichen Kapitalerträge für die Fonds der X deutlich geringer an. Das Finanzamt rügt mit seiner Revision die Verletzung von Bundesrecht durch die Nichtanwendung des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG.
Der BFH setzte das Revisionsverfahren aus und rief den EuGH an, um klären zu lassen, ob die bis Ende 2003 geltende deutsche Regelung zur Besteuerung von Anlegern, die sich an ausländischen „schwarzen“ Investmentfonds beteiligt haben, gegen die europarechtlich gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit verstieß.
Die Gründe: Die Pauschalbesteuerung stellt einen offensichtlichen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit dar, weil inländische Anleger durch die verschärfte Besteuerung solcher ausländischer Erträge davon abgehalten werden könnten, sich an ausländischen „schwarzen“ Fonds zu beteiligen. Die Kapitalverkehrsfreiheit gehört zu den europarechtlichen Grundfreiheiten. Sie gilt nicht nur innerhalb der EU, sondern auch im Verhältnis zu Drittstaaten.
Die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit ist nicht zu rechtfertigen. Beteiligungen an inländischen und ausländischen Fonds sind grundsätzlich objektiv vergleichbar. Auch ist der Nachweis von Erträgen aus ausländischen Fonds nicht von vorneherein unmöglich. Das Gesetz nimmt zu Unrecht keine Rücksicht darauf, ob mit dem jeweiligen Drittstaat ein Amtshilfeabkommen besteht, das eine Nachprüfung der Erträge ermöglicht. Jedenfalls ist die Pauschalbesteuerung unverhältnismäßig, weil sie den Nachweis der tatsächlichen Erträge für die Besteuerung ausnahmslos ausschließt.
Trotz des offensichtlichen Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit war es angezeigt, den EuGH in dieser Sache anzurufen. Aufgrund einer neueren Entscheidung des EuGH vom 7.6.2012 (C-39/11) ist es zweifelhaft geworden, ob § 18 Abs. 3 AuslInvestmG überhaupt am Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit überprüft werden kann oder Bestandsschutz genießt. Diese Rechtsfrage ist europarechtlich ungeklärt, so dass sie dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt werden musste.
Hintergrund: Obwohl es um ausgelaufenes Recht geht, hat das Verfahren Breitenwirkung, weil noch zahlreiche Streitfälle mit erheblichen finanziellen Auswirkungen offen sind. Auch die heute geltende Nachfolgeregelung (§ 6 des InvStG) ist bereits Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens beim EuGH (C-326/12).